Micro: Komfortabler Texteditor für das Terminal

Geschrieben von Steffen Schultz 5 Kommentare
Kategorisiert in : Software Schlüsselwörter : Linux, OpenSource, Terminal
Screenshot mit geöffnetem Hilfetext in Micro

Bei der Arbeit mit Konfigurations- und Textdateien in einem Terminal haben sich im Grunde zwei Editoren etabliert. Wer es einfach mag, verwendet Nano, Power-User bevorzugen Vim. Einen komfortablen Editor, der beides vereint, scheint es eher nicht zu geben. Diese Lücke möchte der Micro-Editor ausfüllen. Er bietet Annehmlichkeiten, die man sonst nur von grafischen Editoren kennt, hält dabei jedoch genug Funktionen für anspruchsvollere Nutzer bereit.

Standard-Tastenkürzel und Mausbedienung machen den Einstieg leicht

Vor allem die auf von grafischen Oberflächen verwöhnte Nutzer mitunter exotisch wirkende Tastenbedienung gängiger Terminal-Editoren kann für Verwirrung sorgen. Selbst Nanos Tastaturbedienung will zunächst erlernt sein, da sie sich nicht an gewohnte Befehle hält. Micro geht einen anderen Weg, und stellt viele der aus grafischen Editoren bekannten Kombinationen zur Verfügung. So lässt sich Text mittels gedrückter Shift- und Cursortasten markieren, mit STRG+C / STRG+X kopieren bzw. ausschneiden, und an anderer Stelle mit STRG+V wieder einfügen. Via STRG+O kann aus dem Editor heraus eine Datei geöffnet werden, STRG+S speichert sie, und STRG+Q schließt die Datei bzw. beendet den Editor.

Alt+G blendet am unteren Bildschirmrand eine Liste mit weiteren Tastenkombinationen ein. Eine ausführliche Liste lässt sich auch über das integrierte Hilfesystem abrufen. Hierzu drückt man STRG+E, um in die interne Befehlszeile des Editors zu gelangen, und gibt "help defaultkeys" ein. Die alleinige Eingabe von "help" zeigt eine Einführung zu Micro. Sämtliche Hilfetexte werden als Markdown-Text dargestellt, sind also problemlos lesbar.

Auch eine Bedienung per Maus ist möglich. Allerdings beschränkt sie sich naturgemäß auf die Textauswahl; Klicken und Ziehen markiert Text, ein Doppelklick markiert wortweise, ein Dreifachklick zeilenweise. Menü- und Symbolleisten, wie man sie von grafischen Editoren kennt, gibt es nicht. Befehle, die nicht von den Standard-Tastenkombinationen abgedeckt oder anderweitig verknüpft sind, müssen daher über die Editor-Befehlszeile eingegeben werden.

Umfangreiche Konfigurations- und Erweiterungsmöglichkeiten

Alle Einstellungen des Editors werden in JSON-Dateien hinterlegt, welche im Benutzerprofil unter .config/micro abgelegt sind. Standard-Optionen können hierüber ebenso angepasst werden wie die Zuordnung der Tasten. Mittels Lua-Plugins lässt sich Micro sogar noch erweitern. Ein entsprechender Plugin-Manager ist integriert, und einige Plugins lassen sich darüber bereits installieren. Für viele Programmiersprachen steht Syntax-Highlighting zur Verfügung, weitere Syntax-Vorlagen können erstellt werden. Auch die Freunde farblicher Anpassungen kommen mit einer Auswahl von sieben vordefinierten Themes auf ihre Kosten.

Einfache Installation mittels Binärdatei

Micro ist in den gängigen Paketmanagern noch nicht sehr verbreitet. Lediglich Arch-Nutzer können die Installation mittels AUR vornehmen. Die Installation auf anderen Plattformen ist allerdings recht einfach, da man sich nur die für das jeweilige System passende Binärdatei herunterladen muss. Pakete stehen für Linux, diverse BSD-Abkömmlinge, Mac und Windows auf GitHub zum Download bereit.

Wer es noch einfacher haben möchte, kann Micro auch über ein Bash-Script installieren, welches die jeweils aktuellste stabile Version herunterlädt. Folgender Einzeiler installiert die für das System passende Binärdatei ins aktuelle Verzeichnis. Für eine systemweite Verfügbarkeit macht es natürlich Sinn, Micro direkt nach /usr/local/bin zu installieren.

$ curl https://getmic.ro/ | bash

Zum Schluss noch das obligatorische Wort zur Screenreader-Unterstützung: Micro lässt sich weitgehend problemlos nutzen. Lediglich beim Markieren von Text gab es auf meinem System mit NVDA und dem SSH-Terminal Probleme beim Auslesen des Textes. Wie es sich bei Linux-Bildschirmlesern verhält, konnte ich mangels eines verfügbaren Systems nicht testen.

Über den Autor

Steffen Schultz, ein lichtloser Gelegenheitsblogger aus dem Norden Brandenburgs. Ich bin auf den Betriebssystemen Windows, Linux und Android unterwegs und berichte u. a. über meine Erfahrungen beim Nutzen von Anwendungen mit Zugangstechnologien für Blinde.

5 Kommentare

#1  - Jonny sagte :

Cool, danke für den tip!

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#2  - tux sagte :

micro ist eine weniger nervtötende Alternative zu Vim und eine keine Dateien zerstörende Alternative zu nano - aber dieses Pochen auf eine Textbedienung ist mir unklar. - Ich mag micro als Fallback unter Windows auf jeden Fall schon.

Es ist davon abzuraten, Dinge zu installieren, indem man fremde Scripts in seine Shell pipet. Das ist kurz vor ".exes von russischen Pornoseiten ausführen". YMMV.

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#3  - Steffen Schultz sagte :

Da diese Installationsmethode Teil der offiziellen Dokumentation ist, gehe ich mal davon aus, dass man sich nichts Schadhaftes einhandelt - und das Shellscript sah imho auch nicht verdächtig aus. Grundsätzlich hast du natürlich Recht.

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#4  - Martin sagte :

chmod +x $MICRO_INSTALL_PATH/micro
echo "export PATH=$PATH:$MICRO_INSTALL_PATH" >> ~/.bashrc
source ~/.bashrc

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#5  - Fryboyter sagte :

>Wer es einfach mag, verwendet Nano, Power-User bevorzugen Vim.

Wobei man anmerken sollte, dass nano durchaus mehr Funktionen bietet als viele denken. Die untere Leiste zeigt nur die wichtigsten Funktionen an. Unter https://www.nano-editor.org/dist/latest/cheatsheet.html und https://www.nano-editor.org/dist/latest/nano.html kann man sich einen genaueren Überblick verschaffen.

Da mir die Shortcuts von nano aber auf die Nerven gehen (vor allem wenn ich Sie bei anderen Programmen eingebe), nutze ich schon seit längerem micro. Oder eben Sublime Text. Vim würde ich hingegen freiwillig nicht nutzen. Vermutlich nicht einmal unfreiwillig.

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